Urlaubsentgelt; Vermittlungsprovision; Bezirksprovision; Arbeitnehmer im Werbeaußendienst; angestellter Reisender

9 AZR 266/99 Urteil verkündet am 11. April 2000 BAG Inhalt des Arbeitsvertrages

Bundesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Januar 1999 – 4 Sa 333/98 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe von Urlaubsentgelt.

Die Beklagte vertreibt Perlen und Schmuck an Juweliergeschäfte. Die Klägerin war für sie von Juli 1993 bis 30. April 1997 als Reisende im Angestelltenverhältnis tätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung der Klägerin.

Der Kl. war das Gebiet mit der Postleitzahl 8 (PLZ 8) zugewiesen, in dem sie als einzige Außendienstmitarbeiterin der Bekl. tätig war. Sie hatte Verkaufsgeschäfte für alle Artikel der Bekl. anzubahnen und im Rahmen der Geschäftsverbindungen abzuschließen. Kundenkontakte waren zu pflegen und die Bonität der Kunden zu prüfen und zu überwachen. Hierzu hatte sie die Kunden planmäßig zu besuchen, die Artikel der Bekl. zu präsentieren oder anhand eines Katalogs vorzuzeigen. Über ihre Kundenbesuche hatte sie Wochenberichte zu fertigen, in denen die von Kunden getätigten Käufe und Bestellungen ausgewiesen wurden. Die Bekl. hatte das Recht, die Kl. im Innendienst sowie außerhalb ihres Reisegebietes einzusetzen. Dort erzielte Umsätze waren bei der „Jahresprovision” (§1 IV des Arbeitsvertrags) zu berücksichtigen. Zur Vergütung ist in § 2 Arbeitsvertrag bestimmt:

§ 2.

(1) Der Vertreter erhält ein festes Monatsgehalt in Höhe von 3000 DM, außerdem einen monatlichen Vorschuss von 5000 DM, der daraus resultierende Betrag von 8000 DM wird jährlich, zwölfmal am Monatsende bezahlt. Der Vorschuss wird im Februar des folgenden Jahres mit der zu erwartenden Umsatzprovision verrechn

(2) Weiter erhält er Ende Februar eine Umsatzprovision. Sie wird berechnet aus den Umsätzen (Kaufabschlüssen) der Firma aus dem ihm zugewiesenen Gebiet im vergangenen Kalenderjahr, …

Der Vorschuss wurde später einvernehmlich auf 4000 DM monatlich herabgesetzt. Nach § 2 V des Arbeitsvertrags war im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen die Durchschnittsvergütung der letzten zwei Jahre fort zu zahlen. Die Bekl. erteilte der Kl. monatlich Provisionsabrechnungen. Bei der jährlichen Abgleichung der Vorschüsse mit den angefallenen Provisionen berücksichtigte die Bekl. die im Gebiet PLZ 8 tatsächlich erzielten Umsätze. Von dem sich daraus ergebenden Provisionseinkommen zog sie die Vorschüsse ab. Für die der Kl. in den Jahren 1995 bis 1997 gewährten und von ihr genommenen 70 Urlaubstage erfolgte kein gesonderter Ausgleich. Mit ihrer im Mai 1997 erhobenen Klage hat die Kl. geltend gemacht, das von der Bekl. für Urlaubszeiten gezahlte Entgelt sei zu gering, weil die Bekl. die Provisionen nicht berücksichtigt habe. Die Bekl. sei verpflichtet, während ihrer Urlaubszeiten den täglichen Durchschnitt der von ihr jeweils in den letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsantritt erzielten Provisionen zu zahlen. Die Kl. hat zuletzt beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an die Kl. 15653,96 DM brutto zu zahlen.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Verurteilung der Bekl. in Höhe von 13930,15 DM brutto aufrecht erhalten und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom LAG zugelassenen Revision wendet sich die Bekl. gegen die Entscheidung des LAG soweit sie zu einem höheren Betrag als 7464,97 DM brutto verurteilt worden ist. Sie macht geltend, dem Urlaubsentgelt seien nur die Provisionen für solche Geschäfte zu Grunde zu legen, die in den Wochenberichten der Kl. ausgewiesen seien. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin hat gegen die Beklagte über den rechtskräftig zuerkannten Betrag von 7.464,97 DM hinaus Anspruch auf Zahlung von weiteren 6.465,18 DM brutto als Urlaubsentgelt für die in den Jahren 1995 bis 1997 gewährten 70 Urlaubstage.

I. 1. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 611 BGB, § 1 BUrlG. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während der urlaubsbedingten Freistellung von der Arbeit das Arbeitsentgelt fort zu zahlen. In der Höhe bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem Durchschnittsverdienst des Arbeitnehmers in den letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Hierfür sind seit 1.10.1996 mit der hier nicht interessierenden Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdiensts regelmäßig alle Vergütungen berücksichtigen, die der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum vom Arbeitgeber erhalten hat (BAG v. 23.04.1996 9 AZR 856/94, AP BUrlG § 11 Nr. 40 = EzA BUrlG § 11 Nr. 39). In die Berechnung sind auch Provisionen einzubeziehen, die ein Arbeitnehmer für die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften des Arbeitgebers vertragsgemäß erhält (BAG v. 14.03.1966 – 5 AZR 468/65, DB 66, 948 = AP BUrlG § 11 Nr. 3; v. 19.09.1985 – 6 AZR 460/83, DB 86, 699).

2. Die von der Revision als „Gebiets oder Bezirksprovision“ bezeichneten Leistungen sind für die Berechnung des Urlaubsentgelts nicht außer Ansatz zu lassen. Das hat das LAG (München 4 Sa 333/98) zutreffend erkannt.

a) Nach § 65 HGB sind auf eine Vereinbarung, nach der ein Handlungsgehilfe für die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften Provision erhalten soll, die § 87 Abs. 1 und Abs. 3 anzuwenden. Wie der Handelsvertreter hat der Handlungsgehilfe nach § 87 Abs. 1 HGB Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Zurückführen heißt: Die Tätigkeit des Handelsvertreters muss für den Geschäftsabschluss kausal geworden sein. Hierfür genügt jede Mitursächlichkeit, wenn sie das Zustandekommen des Geschäfts im Ergebnis gefördert und dadurch mit bewirkt hat. Ob der Beitrag des Handlungsgehilfen für das Zustandekommen des Geschäfts i. S. von § 87 Abs. 1 HGB mit ursächlich ist, beurteilt sich nach dem, was von ihm nach den Vertragsbedingungen an Mitwirkung erwartet wurde (BAG v. 22.01.1971 – 3AZR42/70, DB 71, 779 = AP HGB § 87 Nr. 2).

Ist dem Arbeitnehmer die Vermittlung von Geschäften übertragen, hat er bereits dann Anspruch auf Provision, wenn er seine Arbeitsaufgaben vertragsgemäß wahrnimmt, er also Kontakt mit Kunden aufnimmt, deren Interesse am Produkt erweckt oder den Kunden zum Abschluss des Geschäfts geneigt macht. Für das Entstehen des Provisionsanspruchs reichen damit auch nur vorbereitende Aktivitäten des Handlungsgehilfen aus, die auf den Abschluss eines dann provisionspflichtigen Geschäfts abzielen (BAG v. 04.11.1968 – 3 AZR 276/67, DB 69, 266).

Dabei ist nicht einmal eine „überwiegende“ Mitursächlichkeit erforderlich, wie sich im Umkehrschluss aus § 87 Abs. 3 HGB ergibt. Der Abschluss eines Geschäfts muss nur dann überwiegend auf die Tätigkeit des Reisenden zurückzuführen sein, wenn es erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustande kommt.

Diese Anforderungen verkennt die Beklagte mit ihrer an den Kundenbesuchen ausgerichteten Unterscheidung zwischen „vermittelten“ und „nicht vermittelten“ Geschäften. Die Aufnahme von Kaufabschlüssen und Bestellungen in den Wochenberichten besagt nur etwas darüber, dass diese Geschäfte (zweifelsfrei) auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen sind. Das schließt aber nicht aus, dass die wie hier von der Beklagten in der Revision aufgelisteten Umsätze aus Direktbestellungen von Kunden gleichfalls auf die Aktivitäten der Klägerin zurückgehen.
b) Bezirks oder Gebietsprovisionen sind aus der Durchschnittsberechnung des § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG herauszunehmen. Denn die Bezirksprovision i. S. von § 87 Abs. 2 HGB fällt auch für solche Geschäfte an, die ohne Mitwirkung des Handelsvertreters geschlossen werden. Sie wird daher vergleichbar einer sog. Fremd oder Superprovision auch während einer krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit des Handelsvertreters von der Arbeit gezahlt (BGH v. 09.04.1964 – VII ZR 123/62, DB 64, 837 = AP HGB § 87 Nr. 1; OLG Braunschweig 17.06.1993 – 2 U 36/93, NJW RR 94, 34).

Soweit mit einem Arbeitnehmer über § 65 HGB hinaus einzelvertraglich Bezirksschutz vereinbart worden ist und fließen ihm deshalb auch für ohne seine Mitwirkung zustande gekommene Geschäfte Provisionen zu, so sind diese für das Urlaubsentgelt nicht gesondert zu berücksichtigen (Vgl. BAG v. 04.06.1969 – 3 AZR 243/68, DB 69, 1066, 2043 zu § 13 MTV für das private Versicherungsgewerbe i. d. F. vom 01.07.1963; Westhoff, NZA 86 Beil. 3 S. 29).

Derartige Umsatzbeteiligungen dienen regelmäßig der Honorierung der Gesamtverantwortung des Arbeitnehmers für den ihm übertragenen Arbeitsbereich.

Sie sind damit zwar abhängig von der Qualität seiner Arbeitsleistung, nicht aber von seiner regelmäßigen tatsächlichen Anwesenheit am Arbeitsplatz. Werden diese Vergütungsbestandteile zusätzlich bei der Durchschnittsberechnung berücksichtigt, führte dies zu der von der Beklagten angenommenen unzulässigen doppelten Berücksichtigung zu Lasten des Arbeitgebers (Vgl. BAG v. 14.03.1966, a.a.O. (Fn. 2), v. 05.02.1970 – 5 AZR 223/69, DB 70, 782 = AP BUrlG § 11 Nr. 7 zur Fremd /Superprovision).

c) Das LAG hat eine Mehrfachbelastung der Beklagten verneint. Nach seinen Feststellungen beruhten sämtliche von der Beklagten im Gebiet PLZ 8 getätigten Geschäfte auf der Arbeit der Klägerin. Zwischen den in den Wochenberichten erfassten Geschäften und den sonstigen (Nach )bestellungen der Juweliere sei nicht zu unterscheiden. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. (wird ausgeführt)

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtsfehlerhaft.

a) … b) Die Revision macht vergeblich geltend, die Klägerin werde bevorteilt, weil auch während ihres Urlaubs Provisionsansprüche fällig würden. Mit dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestimmten Bezugszeitraum von dreizehn Wochen hat der Gesetzgeber erkennbar unterstellt, dass diese Zeitspanne regelmäßig ausreicht, um einen urlaubsbedingten mutmaßlichen Verdienstausfall des Arbeitnehmers zuverlässig auch dann auszugleichen, wenn seine Vergütung aufgrund variabler Entgeltbestandteile in der Höhe schwankt. Dass während des Urlaubs weiterhin Provisionen fällig werden, führt nicht zu der von der Beklagten angenommenen Doppelzahlung. Diese dann fällig werdenden Provisionen beruhen auf anderen Geschäften. Das Urlaubsentgelt gleicht einen Rückgang des erfolgsbestimmten Provisionseinkommens für die Zeit aus, in der der Arbeitnehmer urlaubsbedingt keine Geschäfte vermitteln konnte.

4. Das LAG hat die Höhe des von der Beklagten geschuldeten Urlaubsentgelts auch zutreffend errechnet. Nach der Formulierung in § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist zwar nur der Arbeitsverdienst in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen, den der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn erhalten hat. Dabei sind aber alle Entgeltbestandteile zu berücksichtigen, die der Arbeitnehmer gesetzlich oder vertraglich zu erhalten hatte. Vereinbarte oder vom Arbeitgeber einseitig veranlasste Zahlungsverzögerungen mindern das Urlaubsentgelt nicht. Haben die Arbeitsvertragsparteien vereinbart, dass der Arbeitgeber auf erwartete Provisionen des Arbeitnehmers monatlich Vorschüsse leistet, die nach der endgültigen Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt verrechnet werden, so richtet sich die Höhe des Urlaubsentgelts daher nach dem Betrag, der dem Arbeitnehmer bei Anwendung der Fälligkeitsbestimmung des § 87 a HGB zugestanden hätte. Zugrunde zu legen sind mithin die nach der endgültigen Abrechnung in den letzten drei vollen Kalendermonaten vor Urlaubsbeginn tatsächlich verdienten Provisionen.

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