Verjährung von Informationsansprüchen; Buchauszug des Handelsvertreters
13 U 27/10 Urteil verkündet am 4. April 2011 OLG Oldenburg Provisionsabrechnung, Buchauszug und BucheinsichtOberlandesgericht Oldenburg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2011 durch […]
Tenor
für Recht erkannt:
Auf die Berufungen beider Parteien und unter Zurückweisung des jeweils weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 23. Juni 2010 verkündete Teilurteil des Vorsitzenden der 12. Zivilkammer – 2. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Oldenburg teilweise geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug über folgende Geschäfte mit Kunden, die in den Niederlanden ihren Geschäftssitz haben oder ansässig sind, zu erteilen:
– Geschäfte, die in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Juli 2008 zustande gekommen sind. Davon ausgenommen sind Geschäfte, für die der Klägerin bis zum 31. Dezember 2005 eine vollständige und abschließende Abrechnung erteilt worden ist.
– Geschäfte, die in der Zeit vom 1. August 2008 bis zum 30. Juni 2009 zustande gekommen sind und zuvor – bis zum 31. Juli 2008 – im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnt worden waren.
Der Auszug hat folgende Angaben zu enthalten:
– Auftragsdatum
– Auftragsnummer
– Name und genaue Anschrift des Kunden
– Kundennummer des Kunden (soweit vorhanden)
– Warenart laut Auftrag
– Warenmenge laut Auftrag
– Warenwert lauf Auftrag
– Angabe der Provisionshöhe für das jeweils bestellte Produkt/die bestellte Leistung
– Datum der Auftragsbestätigung bzw. des Vertragsschlusses
– Datum der Lieferung bzw. Teillieferungen
– Umfang der Lieferung bzw. Teillieferungen
– Rechnungsdatum
– Rechnungsnummer
– Rechnungsbetrag
– Zeitpunkt und Höhe der eingegangenen Zahlungen
– bei Zahlungsabzügen: Datum, Grund und Höhe des Abzuges
– bei eingeräumten Boni, Nachlässen und Rabatten: Datum, Grund und Höhe – bei Auftragsstornierungen und Retouren: Zeitpunkt und Grund
– bei ganz oder teilweiser Nichtzahlung: welche Maßnahmen zur Beitreibung der Forderung durchgeführt wurden.
Im Übrigen wird der Klageantrag zu 3 a abgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit über den Klageantrag zu 3 (Buchauszug) entschieden worden ist.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin war seit mehr als 80 Jahren als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Das Vertretungsverhältnis wurde zuletzt durch den Handelsvertretervertrag vom 7. Mai 1990 (GA I 14 – 18) geregelt. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 2
Das Tätigkeitsfeld beschränkt sich auf die Niederlande.
Der Vertreter vermittelt und verkauft die nachfolgend aufgeführten Waren:
1. Starkstromkabel
2. Starkstromleitungen
3. Steuerleitungen
…
§ 4
I.
Für die Belieferung des holländischen Marktes mit Schiffskabel und mit holländischen Typen wie VMVK, VMVKas und Alkudia-Kabel wird die Vertretung des Kabelwerkes […] erlaubt.
Ansonsten ist es dem Vertreter untersagt, bei Vermittlung und Vertrieb von Waren konkurrierender Firmen mitzuwirken. Er darf insbesondere mit solchen Firmen keine Vertreterverträge gemäß § 84 HGB oder Maklerverträge im Sinne des § 93 HGB abschließen.
…
§ 18
… Für etwaige juristische Auseinandersetzungen gilt das deutsche Recht.
…“
Am 16. Juli 2008 fragte die Klägerin die Beklagte per E-Mail nach dem Preis für die Lieferung von Kabel … an das niederländische Energieversorgungsunternehmen E… . Nach der Preisangabe der Beklagten gab die Klägerin am 17. Juli 2008 gegenüber der E… per E-Mail ein Angebot für die Beklagte zu einem Preis von 7.729,– €/km netto ab (GA I 136 – 139). Am gleichen Tage gab die Klägerin aufgrund derselben Ausschreibung per Telefax auf einem Angebotsformular der N… mit einem Hinweis auf die Klägerin als Vertriebsbüro ein Angebot für N… zu einem Preis von 7.504,19 €/km netto ab (GA I 140 – 142). Weder die Beklagte noch N… erhielten den Auftrag. Als die Beklagte von der Angebotsabgabe der Klägerin für N… erfuhr, kündigte sie das Vertragsverhältnis mit Einschreiben vom 18. Juli 2008 mit sofortiger Wirkung (GA I 31). …
Am 31. Juli 2008 fand im Hause der Beklagten ein Gespräch statt, in dem die Parteien ihre unterschiedlichen Standpunkte zu der Frage austauschten, ob die Angebotsabgabe für N… von … [einer] Ausnahmeregelung zum Wettbewerbsverbot … erfasst war. Eine Einigung wurde nicht erzielt. …
…
Wegen der Feststellungen und der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Teilurteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), mit dem das Landgericht der Klage hinsichtlich … des Antrags zu 3 a (Buchauszug) teilweise – für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 1. August 2008 – stattgegeben hat. …
Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre Argumentation … Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht teilweise verjährt. …
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils:
…
3. a) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug über alle Geschäfte zu erteilen, die mit Kunden, die in den Niederlanden ihren Geschäftssitz haben oder ansässig sind, in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2009 zustande gekommen sind oder im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnt worden sind, wobei dieser Auszug folgende Angaben zu enthalten hat:
– Auftragsdatum,
– Auftragsnummer,
– Name und genaue Anschrift des Kunden,
– Kundennummer des Kunden (sofern vorhanden),
– Warenart laut Auftrag,
– Warenmenge laut Auftrag,
– Warenwert laut Auftrag,
– Angabe des Planpreises für das jeweils bestellte Produkt/die bestellte Leistung,
– Datum der Auftragsbestätigung bzw. des Vertragsabschlusses
– Datum der Lieferung bzw. Teillieferungen,
– Umfang der Lieferung bzw. Teillieferungen,
– Rechnungsdatum,
– Rechnungsnummer,
– Rechnungsbetrag,
– Zeitpunkt und Höhe der eingegangenen Zahlungen,
– Bei Zahlungsabzügen: Datum, Grund und Höhe des Abzuges,
– Bei eingeräumten Boni, Nachlässen oder Rabatten: Datum, Grund und Höhe, Bei Auftragsstornierungen und Retouren: Zeitpunkt und Grund,
– Bei ganz oder teilweiser Nichtzahlung: welche Maßnahmen zur Beitreibung der
– Forderungen durchgeführt wurden,
– Angabe in welcher Provisionsabrechnung (unter Angabe des Abrechnungszeitraumes) der Auftrag aufgenommen worden ist,
– Für im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnte Geschäfte zusätzlich: Stadium der Ausführung des Auftrages bzw. Standes der Auftragsbearbeitung.
…
Die Beklagte meint, … Die Beklagte habe den Anspruch auf Buchauszug durch regelmäßige Übersendung der monatlichen Provisionsabrechnungen nebst Anlagen sowie weiterer Unterlagen bereits erfüllt. Die nach dem angefochtenen Urteil von der Beklagten in den Buchauszug aufzunehmenden Angaben gingen im Übrigen über das hinaus, was der Handelsvertreter gemäß § 87c Abs. 2 HGB verlangen könne.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
…
die Klage gemäß den Anträgen zu … 3 abzuweisen.
II.
Die zulässigen Rechtsmittel beider Parteien haben in der Sache teilweise Erfolg. …
Der Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien ist … durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund beendet worden. … Die Kündigung vom 18. Juli 2008 ist – spätestens mit der erfolglosen Beendigung des Gesprächs vom 31. Juli 2008 – wirksam geworden.
…
3. Buchauszug über alle Geschäfte mit Kunden, die in den Niederlanden ihren Geschäftssitz haben oder ansässig sind
a) Berufung der Klägerin
Die Klägerin wendet sich gegen das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht den auf Erteilung eines Buchauszuges für das Jahr 2005 gerichteten Antrag wegen Verjährung abgewiesen hat. Die Berufung der Klägerin hat insoweit teilweise Erfolg.
aa) Die Verjährung von Ansprüchen aus Handelsvertreterverträgen richtete sich bis zum 15. Dezember 2004 nach § 88 HGB. Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis in vier Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem sie fällig geworden waren. Auch der Anspruch auf Buchauszug und die weiteren Informationsansprüche gemäß § 87c HGB wurden von dieser Regelung erfasst (BGH, Urteil vom 22. Mai 1981 – I ZR 34/79, NJW 1982, 235, unter I 2 c). § 88 HGB ist durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) aufgehoben worden. Ansprüche, die bisher der Regelung des § 88 HGB unterfielen, auch die Informationsansprüche gemäß § 87c HGB, verjähren seitdem innerhalb der dreijährigen Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB (Emde, VersR 2009, 889).
Die Informationsansprüche aus § 87c HGB verjähren jeweils selbständig. Eine einheitliche Verjährung aller Informationsansprüche kann nicht angenommen werden, weil die in Betracht kommenden Ansprüche von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen. Dies gilt auch im Verhältnis zum Provisionsanspruch, zu dessen Vorbereitung und Durchführung die Hilfsansprüche des § 87c HGB dienen sollen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1981 – I ZR 34/79, a.a.O.). Daran hat sich durch Wegfall des § 88 HGB nichts geändert (Emde, a.a.O., S. 890).
Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2).
(1) Die Fälligkeit des Buchauszugsrechts (§ 87c Abs. 2 HGB) – und damit die Entstehung des Anspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB – tritt grundsätzlich mit Erteilung der Abrechnung (§ 87c Abs. 1 HGB) ein (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 – VIII ZR 205/05, VersR 2009, 829, Rn. 28. Emde, a.a.O., m.w.N.). Hingegen soll nach Ansicht von Löwisch (in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., § 87c Rn. 38) die Verjährung jedes Informationsrechts erst in dem Zeitpunkt beginnen, zu welchem erstmals die Forderung auf Erfüllung eines konkreten Informationsrechts wegen bestimmter Zahlungsansprüche erhoben wird, weil die einzelnen Informationsrechte des § 87c HGB erst mit ihrer Geltendmachung durchsetzbar werden (so auch OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 27. November 2008 – 14 U 134/08). Der Handelsvertreter nehme im Interesse einer möglichst störungsfreien Zusammenarbeit während der Dauer des Vertragsverhältnisses regelmäßig von der Wahrnehmung seiner Informationsrechte Abstand. Deshalb soll nach dieser Auffassung die Verjährung grundsätzlich erst mit Schluss des Jahres zu laufen beginnen, in dem der Handelsvertretervertrag endet (sofern der Anspruch auf Buchauszug nicht vorher geltend gemacht worden ist). Dann hätte im Streitfall die Verjährung des erstmals mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 (GA I 94 f.) erhobenen Anspruchs auf Buchauszug – insgesamt – erst mit dem Schluss des Jahres 2008 begonnen. auch der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges für das Jahr 2005 wäre insgesamt noch nicht verjährt.
Das ist nach Auffassung des Senats abzulehnen, weil der Handelsvertreter es dann in der Hand hätte, die Verjährung der Informationsrechte während der Vertragsdauer beliebig hinauszuzögern. Das widerspräche dem Sinn der Verjährungsvorschriften, nach einer bestimmten Zeitdauer Rechtsfrieden eintreten zu lassen (Emde, a.a.O., S. 891. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 87c Rn. 53). Bei Anwendung kaufmännischer Sorgfalt (§ 86 Abs. 3 HGB) obliegt es dem Handelsvertreter, die Abrechnung zeitnah auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Wenn er Zweifel hat, ob die Abrechnung vollständig und richtig ist, ist es ihm zuzumuten, das zur Prüfung der Abrechnung dienende Buchauszugsrecht innerhalb von drei Jahren nach dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Abrechnung erteilt wurde, geltend zu machen. Diese Wertung steht im Einklang mit der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der das Gesetz dem Handelsvertreter in § 87c HGB ausreichende Möglichkeiten gewährt, den Umfang seiner Provisionsansprüche innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 88 HGB zu klären, und es dem Handelsvertreter aus Gründen der Rechtssicherheit versagt bleiben muss, zur Vorbereitung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b HGB darüber hinaus gehende Auskünfte zu erlangen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1981 – I ZR 34/79, a.a.O., unter I 2 d).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof betont, dass die Verjährung eines Anspruchs zu Lasten des Berechtigten nicht beginnen könne, solange dieser nicht in der Lage sei, den Anspruch geltend zu machen und eine bereits laufende Verjährung durch Klageerhebung zu unterbrechen. Dazu ist ausgeführt worden, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nicht nur bei der Abrechnung, sondern auch noch später geltend gemacht werden könne, solange Unternehmer und Handelsvertreter sich über die Abrechnung nicht geeinigt hätten. Eine vollständige und abschließende Abrechnung hinsichtlich jedes einzelnen Geschäfts könne erst dann erfolgen, wenn die vertraglichen Voraussetzungen für die Fälligkeit der Provision vorliegen. Das Gleiche gelte für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges, der für jeden einzelnen Provisionsanspruch bestehe. Mit dieser Begründung hat der Bundesgerichtshof in dem seinerzeit entschiedenen Fall eine Verjährung des Buchauszugsrechts gemäß § 88 HGB verneint, weil der Buchauszug nur für solche Geschäfte verlangt worden war, bei denen die nach dem Handelsvertretervertrag maßgebliche Voraussetzung für die Fälligkeit der Provision (Schlusszahlung des Kunden) nach dem 1. Januar 1972 eingetreten ist. die Klage war am 31. Dezember 1976 erhoben worden (BGH, Urteil vom 11. Juli 1980 – I ZR 192/78, NJW 1981, 457 f. vgl. dazu auch OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 28. Januar 2011 – 12 U 744/10, juris, Rn. 73). Daraus ergibt sich jedoch gerade nicht, dass die Verjährung des Buchauszugsrechts, wie von Löwisch angenommen, erst mit dessen Geltendmachung beginnt. Insoweit hat sich durch die Aufhebung des § 88 HGB auch keine Änderung ergeben, weil der Unternehmer auch nach der früheren Rechtslage gemäß § 87c Abs. 2 bis 4 HGB nur aufgrund eines Erfüllungsverlangens des Handelsvertreters zur Erteilung des Buchauszugs oder zur Erfüllung der weiteren Informationsrechte verpflichtet war.
(2) Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze tritt der Zeitpunkt, zu dem der Handelsvertreter von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hinsichtlich des Anspruchs auf Buchauszug für jedes einzelne Geschäft erst dann ein, wenn dem Handelsvertreter eine vollständige und abschließende Abrechnung über das jeweilige Geschäft erteilt worden ist. Denn vor dem Zugang einer solchen Abrechnung besteht für den Handelsvertreter weder ein Anlass noch eine hinreichende Grundlage, den Anspruch auf Buchauszug geltend zu machen (Emde, a.a.O., S. 890 f.. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 73, 79. vgl. dazu auch OLG München, Urteil vom 3. November 2010 – 7 U 3083/10, juris, Rn. 24). Eine vollständige und abschließende Abrechnung über ein provisionspflichtiges Geschäft liegt regelmäßig dann vor, wenn die vertraglichen Voraussetzungen für die Fälligkeit der Provision eingetreten sind und der Unternehmer auf dieser Grundlage die Abrechnung über die dem Handelsvertreter zustehende Provision erteilt. Dabei kann es sich auch um die Mitteilung handeln, dass dem Handelsvertreter – etwa aufgrund einer Vertragsstornierung – keine Provision zusteht. Dass später theoretisch noch eine Korrekturabrechnung erfolgen könnte, steht der Annahme einer vollständigen und abschließenden Abrechnung nicht entgegen. Anders ist es jedoch hinsichtlich solcher Geschäfte, für die tatsächlich später eine Korrekturabrechnung erteilt wird. Bei diesen Geschäften ist für den Beginn der Verjährung in entsprechender Anwendung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Zeitpunkt der Korrekturabrechnung maßgeblich. Die Erteilung der Abrechnung für einen bestimmten Zeitabschnitt löst damit einen einheitlichen Beginn der Verjährung des Buchauszugsrechts für alle Geschäfte aus, über die in der Abrechnung vollständig und abschließend abgerechnet worden ist (vgl. Emde, a.a.O., S. 890). Das gilt aber nicht für andere Geschäfte, über die im betreffenden Zeitabschnitt zwar eine endgültige Abrechnung möglich gewesen wäre, die aber nicht oder nicht endgültig abgerechnet worden sind. Denn der Anspruch auf Buchauszug besteht für jedes einzelne provisionspflichtige Geschäft und nicht für bestimmte (abgerechnete) Zeitabschnitte. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist des Buchauszugsrechts für nicht oder nicht endgültig abgerechnete Geschäfte nicht zu laufen.
Ist über ein Geschäft nicht vollständig und abschließend abgerechnet worden, kann der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs im Regelfall auch nicht – wegen fehlenden Informationsbedürfnisses – gegenstandslos werden, weil die Provisionsansprüche, zu deren Prüfung der Buchauszug dient, verjährt wären (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Mai 1981 – I ZR 34/79, a.a.O.). Denn von Provisionsansprüchen für solche Geschäfte hat der Handelsvertreter mangels endgültiger Abrechnung regelmäßig auch keine hinreichende Kenntnis erlangt oder hätte sie ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen, so dass diese Ansprüche gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 199 Abs. 4 BGB erst in zehn Jahren von ihrer Entstehung an verjähren (vgl. Emde, a.a.O., S. 892, 894 f.).
Dies führt nicht zu unzumutbaren Belastungen des Unternehmers durch die Pflicht zur Erstellung eines Buchauszugs für lange zurück liegende Zeiträume von bis zu zehn Jahren. Wenn der Unternehmer seinen Abrechnungspflichten aus § 87c Abs. 1 HGB mit der gebotenen Sorgfalt nachkommt und dabei sicherstellt, dass alle – auch stornierte – Geschäfte, für die eine vollständige und abschließende Abrechnung möglich ist, erfasst sind und zeitnah abgerechnet werden, dann kann er anhand der erteilten Abrechnungen feststellen, für welche Geschäfte er einen Buchauszug schuldet und für welche – wegen Verjährung – nicht. Soweit Geschäfte bei den Abrechnungen nicht ordnungsgemäß erfasst wurden und über diese deshalb auch für länger zurück liegende Zeiträume ein Buchauszug erteilt werden muss, bedarf der Unternehmer nach Ansicht des Senats keines Schutzes. Denn er hätte den dadurch entstehenden Mehraufwand bei sorgfältiger Abrechnung verhindern können.
(3) Demzufolge ist im Streitfall der Anspruch auf Buchauszug über die Geschäfte, für die der Klägerin bis zum 31. Dezember 2005 eine vollständige und abschließende Abrechnung erteilt worden ist, gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2008 verjährt, weil der Antrag auf Erteilung eines Buchauszuges erst mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 (GA I 94 f.) gestellt worden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten zur tatsächlichen Handhabung im Streitfall ist eine vollständige und abschließende Abrechnung regelmäßig nach Rechnungsstellung der Beklagten an die Kunden erteilt worden (GA II 152. 154 ff.). Abweichend vom angefochtenen Urteil besteht damit jedenfalls auch ein Anspruch auf Buchauszug hinsichtlich der im Dezember 2005 zustande gekommenen Geschäfte, weil, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, die Abrechnung für den Monat Dezember 2005 – der üblichen Praxis der Parteien entsprechend – erst im Januar 2006 erteilt worden ist. Der Senat hat den Urteilstenor – vom Antrag abweichend, aber inhaltlich nicht über diesen hinausgehend (§ 308 Abs. 1 ZPO) – dahin formuliert, dass die bis zum 31. Dezember 2005 vollständig und abschließend abgerechneten Geschäfte vom zuerkannten Anspruch auf Buchauszug ausgenommen sind.
bb) Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Erteilung eines Buchauszuges für alle Geschäfte, die ´in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2009 zustande gekommen … oder im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnt worden sind´, ist nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich nicht vollständig zutreffend. Der Buchauszug muss gemäß § 87c Abs. 2 HGB alle Geschäfte erfassen, für die dem Handelsvertreter nach § 87 HGB Provision gebührt. Er umfasst nicht nur Provisionsansprüche, die nach § 87a Abs. 1 oder 3 HGB infolge der Ausführung oder des Feststehens der Nichtausführung des Geschäfts unbedingt geworden sind. Vielmehr sind auch die nach § 87 Abs. 1 oder 3 HGB lediglich aufschiebend bedingten Provisionsansprüche in den Buchauszug aufzunehmen, also auch Geschäfte, die noch nicht ausgeführt oder storniert sind. Nur die zweifelsfrei nicht provisionspflichtigen Geschäfte können bei der Erteilung des Buchauszuges unberücksichtigt bleiben (MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, a.a.O., § 87c Rn. 39. Staub/Emde, a.a.O., § 87c Rn. 110. jeweils m.w.N.).
Hiernach kann die Klägerin grundsätzlich einen Buchauszug auch über ´im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnte´ Geschäfte verlangen. Dies gilt aber nicht für Geschäfte, die erst nach Vertragsbeendigung ´angebahnt´ wurden. Gemäß § 87 Abs. 3 HGB hat der Handelsvertreter für ein Geschäft, das erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist, Anspruch auf Provision, wenn er das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist (Nr. 1) oder vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluss eines Geschäfts, für das der Handelsvertreter nach § 87 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 HGB Anspruch auf Provision hat, dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist (Nr. 2). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin in ihrem Antrag mit der Formulierung ´im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnt´ zusammengefasst. Soweit die ´Anbahnung´ erst nach Vertragsbeendigung (hier: nach dem 31. Juli 2008) erfolgt ist, kommen Provisionsansprüche der Klägerin nicht mehr in Betracht.
Deshalb ist der Urteilstenor klarstellend dahin formuliert, dass über Geschäfte, die in der Zeit vom 1. August 2008 bis zum 30. Juni 2009 zustande gekommen sind, nur dann ein Buchauszug zu erteilen ist, wenn sie zuvor – bis zum 31. Juli 2008 – im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnt worden waren. Im Hinblick auf Geschäfte, die erst nach dem 30. September 2008 zustande gekommen sind, liegt noch keine Abrechnung vor. Der Anspruch auf Buchauszug für die Zeit nach dem 30. September 2008 kann nach Auffassung des Senats aber gleichwohl jedenfalls deshalb schon geltend gemacht werden, weil die Klägerin zugleich die Abrechnungen für die Monate Oktober 2008 bis Juni 2009 eingeklagt hat.
b) Berufung der Beklagten Die Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufnahme folgender Angaben in den Buchauszug verurteilt worden ist:
´- Angabe des Planpreises für das jeweils bestellte Produkt/die bestellte Leistung
…
– Angabe, in welcher Provisionsabrechnung (unter Angabe des Abrechnungszeitraumes) der Auftrag aufgenommen worden ist,
– für im Sinne von § 87 Abs. 3 HGB angebahnte Geschäfte zusätzlich: Stadium der Ausführung des Auftrages bzw. Standes der Auftragsbearbeitung´
Die Angabe des Planpreises, bei dem es sich nach den erläuternden Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 22. Februar 2011 (GA II 216) um den durchschnittlichen Verkaufspreis eines bestimmten Jahres handelt, kann die Klägerin nicht verlangen, weil er nicht die konkrete Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und den jeweiligen Kunden betrifft und die Klägern sich darüber selbst informieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2001 – VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333, unter II 2 b). Die Angabe, in welche Provisionsabrechnung der Auftrag aufgenommen wurde, kann die Klägerin nicht verlangen. Sie betrifft nicht die Geschäftsbeziehung der Beklagten zu den jeweiligen Kunden. Im Übrigen kann die Klägerin bei der von der Beklagten geschuldeten geordneten und übersichtlichen Darstellung im Buchauszug (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 – VIII ZR 205/05, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.) selbst ohne großen Aufwand ermitteln, in welche Abrechnung der Auftrag aufgenommen wurde.
Das ´Stadium der Ausführung des Auftrages bzw. Standes der Auftragsbearbeitung´ ist keine Angabe, die sich konkret aus den Büchern des Unternehmers ergibt. Die begehrte Information betrifft Geschäfte, die noch nicht endgültig abgeschlossen oder noch nicht ausgeführt wurden. Das ist letztlich der Stand, mehr lässt sich dazu aus den Büchern in der Regel nicht entnehmen. Dem Sinn nach zielt die Frage auf eine Prognose ab, ob das Geschäft noch abgeschlossen (ausgeführt) wird oder nicht. Eine solche Aussage ist gemäß § 87c Abs. 2 HGB nicht geschuldet.
Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Buchauszugs keinen Erfolg. Das Datum und der Umfang der jeweiligen Lieferungen sowie der Zeitpunkt und die Höhe der jeweiligen Zahlungen sind für die Entstehung und die Höhe der Provisionsansprüche gemäß §§ 87, 87a HGB relevant und damit in den Buchauszug aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 – VIII ZR 205/05, a.a.O.). Dass die Beklagte die Provisionen stets bereits bei Erstellung der Kundenrechnung in die Provisionsabrechnung aufgenommen hat, ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Parteien eine von den Regelungen in §§ 87, 87a HGB abweichende Provisionsberechnung vereinbart haben.
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat sie den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges auch nicht durch die Übersendung der Abrechnungen und weiterer Unterlagen erfüllt, weil diese jedenfalls keine Angaben zu stornierten Verträgen sowie zu den insoweit getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2001, a.a.O., unter II 4).
…
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug nach Aufhebung der Verjährungsvorschrift des § 88 HGB zugelassen, soweit über den Klageantrag zu 3 entschieden worden ist. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vor.