Umfang einer Abgeltungsklausel, nachvertragliches Wettbewerbsverbot

10 AZR 349/05 Urteil verkündet am 8. März 2006 BAG Ansprüche bei und nach Vertragsende, Inhalt des Arbeitsvertrages

Bundesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes
Urteil

In Sachen
[…]
hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2006 durch […] für Recht erkannt:

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 2005 – 7 Sa 2220/04 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Zeitraum Februar 2003 bis Mai 2004 eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 2.101,08 Euro zu zahlen.

Die am 4. Dezember 1970 geborene Klägerin, die den Beruf der Bürokauffrau erlernt hat, war in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 30. Juni 2002 in dem Einzelhandelsschuhgeschäft ihres Ehemannes als Fachverkäuferin mit Personalbefugnis zu einem monatlichen Entgelt in Höhe von 7.000,00 DM brutto tätig.

Die Eheleute hatten einen Ehevertrag vom 5. Dezember 1997 abgeschlossen. Im Mai 2001 einigten sie sich für den Fall einer Scheidung in einem Zusatzehevertrag auf eine Versorgungsregelung, wonach in den ersten fünf Jahren nach Rechtskraft der Scheidung die Klägerin 3.000,00 DM Unterhalt erhalten sollte, der sich danach bis zum 55. Lebensjahr auf 2.000,00 DM monatlich reduzieren und ab dann wiederum 3.000,00 DM monatlich betragen sollte. Weiter heißt es im Vertrag vom 29. Mai 2001:

„Der Unterhaltsanspruch entfällt ersatzlos, wenn die Erschienene zu 2) dem Erschienenen zu 1) unmittelbar oder mittelbar in einem Umkreis von 100 km ab Hauptgeschäft Konkurrenz macht durch den Betrieb eines Schuhgeschäftes, gleichgültig ob als Anteilseignerin oder als leitende Angestellte.“

Am 5. Juni 2001 vereinbarten die Parteien in einem Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das folgenden Inhalt hat:

„Dem Arbeitnehmer ist es untersagt, auf die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma im direkten oder indirekten Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer dieses Verbots ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zugunsten der mit der Firma verbundenen Unternehmen.

Während der Dauer des Wettbewerbsverbotes erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt. Die Karenzentschädigung soll auf keine anderen Einkünfte, Ersparnisse, Unterhaltszahlungen etc. angerechnet werden.

Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot hat der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe von DM 50.000,– zu zahlen. Im Falle eines Dauerverstoßes wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat neu verwirkt. Die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Schadens bleibt vorbehalten.

Das Wettbewerbsverbot gilt auch mit einem Rechtsnachfolger des Betriebes, insbesondere geht es bei einer Veräußerung auf den Erwerber über. Der Arbeitnehmer ist mit dem Übergang der Rechte aus dieser Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger einverstanden.

Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn der Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden das 63. Lebensjahr vollendet hat.

Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB.“

Etwa zeitgleich mit dem Abschluss dieses Änderungsvertrages zog die Klägerin aus der ehelichen Wohnung aus.

Die Trennung nahm der Beklagte zum Anlass, das Arbeitsverhältnis am 22. Dezember 2001 zum 30. Juni 2002 zu kündigen. Die Klägerin erhob hiergegen unter dem Aktenzeichen – 2 Ca 202/02 – Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Dortmund, die sie jedoch unter Hinweis auf eine außergerichtliche Einigung am 13. März 2002 zurücknahm.

Unter dem 11. Juli 2002 erhob die Klägerin eine weitere Klage gegen den Beklagten, mit der sie Ansprüche auf Gehalt für Juni 2002, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, auf Zahlung einer vertraglichen Abfindung und wegen eines von dem Beklagten auf Grund eines Einkommenssteuernachzahlungsbetrages vorgenommenen Abzugs verfolgte. Mit der Klageschrift behielt sie sich vor, die Klage um für weitere Monate zustehende Karenzentschädigung gemäß Änderungsvertrag vom 5. Juni 2001 zu erweitern. In diesem unter dem Aktenzeichen – 3 Ca 4133/02 – vor dem Arbeitsgericht Dortmund geführten Rechtsstreit schlossen die Parteien im Gütetermin vom 19. November 2002 bei beidseitiger anwaltlicher Vertretung folgenden Vergleich:

„1. Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin zur Abgeltung ihrer Klageforderung 5.368,56 € brutto sowie 104,01 € netto zu zahlen.

2. Damit sind alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung sowie die Ansprüche auf Zahlung der vom Beklagten für die Klägerin gezahlten Einkommenssteuer für 2000 in Höhe von 6.014,80 € sowie die Rechtsstreitigkeit – 3 Ca 4133/02 – erledigt.

3. Die Klägerin behält sich den Widerruf dieses Vergleichs, schriftsätzlich bei Gericht eingehend bis zum 03.12.2002, vor.“

Im Verlaufe des Gütetermins wurde das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht erörtert. Der Beklagte hatte zuvor jeweils zum Monatsende die der Klägerin zustehende Karenzentschädigung gezahlt. Darüber hinaus hatte der Beklagte der Klägerin die vertraglich vereinbarte Abfindung gezahlt. Von den für die Monate Juli 2002 bis Oktober 2002 geleisteten Karenzentschädigungen hatte der Beklagte zunächst Sozialversicherungsabgaben in Höhe von monatlich 430,72 Euro in Abzug gebracht. Dies hat er nachfolgend zunächst für den Monat Oktober 2002 korrigiert. Nachdem die Klägerin ihren Widerrufsvorbehalt nicht ausgeübt hatte, forderte sie den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Dezember 2002 auf, die weiteren zu Unrecht einbehaltenen Sozialversicherungsabgaben auszukehren. Hierzu ließ der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Januar 2003 mitteilen, er wolle die Nachzahlung aus Gründen der Ziff. 2 des Vergleichs nicht vornehmen. Nach einem zwischen den Anwälten Mitte Januar 2003 geführten Telefongespräch gab der Beklagte diese Rechtsauffassung auf und kehrte die weiteren einbehaltenen Sozialversicherungsabgaben endgültig aus.

Am 1. Januar 2003 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als selbständige Handelsvertreterin für drei Schuhherstellerfirmen auf. Um den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung zu vermeiden, reichte sie Ende Dezember 2002 an das Landgericht Düsseldorf und an das Arbeitsgericht Dortmund Schutzschriften ein, die jedoch dem Beklagten nicht zugestellt wurden. Hierin führte sie aus, dass sie durch die Aufnahme einer Tätigkeit als Großhändlerin nicht gegen das zwischen ihr und dem Beklagten vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoße.

Der Beklagte zahlte die Karenzentschädigung letztmalig für den Monat Januar 2003. Die Klägerin forderte ihn mit anwaltlichem Schreiben vom 11. März 2003 vergeblich zur Zahlung der weiteren Karenzentschädigung für den Monat Februar 2003 und fortlaufend auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Vergleich vom 19. November 2002 habe weder das nachvertragliche Wettbewerbsverbot noch die Karenzentschädigung umfasst. Nachdem der Beklagte die Karenzentschädigung monatlich beanstandungsfrei ausgezahlt habe, seien diese Ansprüche nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht worden. Eine vollumfängliche Regelung sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Sie habe mit dem Vergleich lediglich vermeiden wollen, dass es zwischen den Parteien zu weiteren Auseinandersetzungen wegen möglicher Ansprüche auf Steuererstattungen komme. Auch für den Beklagten sei nicht zweifelhaft gewesen, dass die Karenzentschädigung weiter geschuldet werde, denn er habe sie für Dezember 2002 und Januar 2003 wiederum gezahlt. Erst nachdem er von der Tätigkeit der Klägerin als selbständige Handelsvertreterin erfahren habe, habe er die Zahlungen eingestellt.

Es sei auch von niemandem zu erwarten gewesen, dass mit einer Zahlung von ca. 5.500,00 Euro die zu diesem Zeitpunkt noch offene Karenzentschädigung von ca. 40.000,00 Euro hätte erfasst und ausgeglichen sein können.

Mit ihrer Tätigkeit habe sie nicht gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen, da der Beklagte mit den von ihr vertretenen Schuhherstellerfirmen keinen Wettbewerb treibe. Sie verkaufe Schuhe nicht an den Endverbraucher, sondern vermittle ausschließlich Geschäfte zwischen den Herstellern und Einzelhändlern. Mit der Vereinbarung vom 29. Mai 2001 hätten die Parteien deutlich gemacht, wie weit das Wettbewerbsverbot reichen solle. Sie hätten festgehalten, dass der Unterhaltsanspruch der Klägerin ersatzlos entfallen solle, sofern sie dem Beklagten unmittelbar oder mittelbar in einem Umkreis von 100 km ab Hauptgeschäft durch den Betrieb eines Schuhgeschäfts Konkurrenz mache.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 35.492,26 Euro Karenzentschädigung und 226,10 Euro Vermögensbildung nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 2.101,08 Euro seit dem 1. Februar 2003, 1. März 2003, 1. April 2003, 1. Mai 2003, 1. Juni 2003, 1. Juli 2003, 1. August 2003, 1. September 2003, 1. Oktober 2003, 1. November 2003, 1. Dezember 2003, 1. Januar 2004, 1. Februar 2004, 1. März 2004, 1. April 2004, 1. Mai 2004 sowie 1. Juni 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, der Klägerin stehe nach Januar 2003 die begehrte Karenzentschädigung nicht mehr zu. Die Parteien hätten mit Ziff. 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 19. November 2002 das nachvertragliche Wettbewerbsverbot spätestens mit Februar 2003 aufgehoben. Es seien nicht lediglich die mit der Klageschrift bezifferten Zahlungsansprüche der Klägerin ausgeglichen worden, sondern alle weiteren arbeitsrechtlichen Ansprüche. Die Karenzentschädigung für Dezember 2002 und Januar 2003 sei nur deshalb gezahlt worden, weil er erst Mitte Dezember 2002 erfahren habe, dass die Klägerin den Vergleich nicht widerrufen habe. Wegen eines schwerwiegenden Wasserschadens und des Weihnachtsgeschäftes habe er sich nicht mehr in der Lage gesehen, bis zum 31. Dezember 2002 dafür zu sorgen, dass die Karenzentschädigung nicht mehr gezahlt werde. Auch habe er Mitte Januar 2003 einen Urlaub gemacht. Den von dem Steuerberaterbüro vorbereiteten Sammelüberweisungsträger bezüglich der Löhne und Gehälter für Dezember 2002 habe er unterschrieben, ohne die Beträge im Einzelnen zu kontrollieren. Am 26. oder 27. Januar 2003 habe er seinen Steuerberater angerufen und diesen angewiesen, die Zahlung der Karenzentschädigung ab sofort einzustellen. Diese Weisung sei durch ein Versehen im Steuerberaterbüro tatsächlich erst ab Februar 2003 umgesetzt worden. Dies habe die Klägerin nicht überrascht. Anlässlich eines Telefonats Mitte Januar 2003 habe er anwaltlich erklären lassen, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot durch die Ausgleichsklausel in dem gerichtlichen Vergleich vom 19. November 2002 obsolet geworden sei und dass aus diesem Grunde die laufenden Karenzentschädigungszahlungen eingestellt würden.

Die Klägerin habe seit dem 1. Januar 2003 gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Die Schuhherstellerfirmen, für die die Klägerin tätig sei, seien mit anderen Schuheinzelhandelsgeschäften, mit denen er in Konkurrenz stehe, durch ständige Lieferantenbeziehungen verbunden. Die Klägerin könne von den Herstellerfirmen sogenannte Posten, d. h. Überhänge, Lagerpaare oder Retouren beziehen, die sie seinen Konkurrenten zu ermäßigten Preisen anbieten könne.

Die Klägerin hat vorsorglich am 30. Juli 2003 unter dem Aktenzeichen – 3 Ca 4133/02 – vor dem Arbeitsgericht Dortmund den am 19. November 2002 geschlossenen Vergleich angefochten. Der Beklagte hat Zwischenfeststellungswiderklage mit dem Inhalt erhoben, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 19. November 2002 erledigt sei. Dieses Verfahren ruht im Hinblick auf das vorliegende Verfahren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, während die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht die begehrte Karenzentschädigung zu, da das Wettbewerbsverbot nicht aufgehoben worden ist und die Klägerin keine Konkurrenztätigkeit entfaltet hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Zwar könnten die Parteien eines Arbeitsvertrages das nachvertragliche Wettbewerbsverbot jederzeit auch durch eine Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag oder in einem gerichtlichen Vergleich aufheben, wobei Ausgleichsklauseln im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen seien. Dabei sei zu überprüfen, ob die Parteien einen endgültigen Schlussstrich unter ihre Beziehungen setzen wollten und folglich den Parteien die endgültige Befriedigung wichtiger gewesen sei als die Realisierung etwa noch bestehender Ansprüche. In Ziff. 2 des Vergleichs vom 19. November 2002 sei aber das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht aufgehoben worden. Dies ergebe die gem. §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung. Zwar spreche der Wortlaut der Ziff. 2 des Vergleichs dafür, dass die Klägerin auf weitere Karenzentschädigungsansprüche verzichtet habe, da alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung auch Ansprüche auf Karenzentschädigung umfassen könnten. Nach dem Wortlaut seien nicht nur etwaige Ansprüche auf Steuererstattungen erledigt gewesen, da diese nochmals zusätzlich erwähnt worden seien. Die Formulierung habe auch nicht die Ansprüche im Zusammenhang mit der Zahlung von Einkommenssteuer erfasst, da auch diese Ansprüche noch ausdrücklich zusätzlich erwähnt worden seien. Da die Parteien jedoch nur alle finanziellen Ansprüche ausgeglichen hätten, sei jedenfalls das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht aufgehoben worden. Es seien nämlich nicht alle wechselseitigen Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis und diejenigen, die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst entstanden seien, für erledigt erklärt worden. Mit der Klausel habe der Beklagte nicht auf den Unterlassungsanspruch aus Ziff. 4 des Ergänzungsvertrages vom 5. Juni 2001 verzichtet, auch nicht auf sein Recht aus der notariellen Urkunde vom 29. Mai 2001, die ihm das Recht eingeräumt hatte, bei Konkurrenztätigkeit der Klägerin seine Unterhaltszahlungen einzustellen. Es habe daher auch nicht dem Willen der Parteien entsprochen, dass die Klägerin einseitig auf die Karenzentschädigung verzichten und dennoch Konkurrenz unterlassen solle. Eine solche Auslegung des Parteiwillens sei nicht interessengerecht. Dafür spreche auch die weitere Zahlung der Karenzentschädigung bis einschließlich Januar 2003. Die Gründe, die der Beklagte dafür genannt habe, dass er erst ab Februar 2003 die Zahlungen eingestellt habe, seien nicht überzeugend und sprächen nicht dafür, dass auch der Beklagte bereits durch den Vergleich seine Zahlungspflicht für obsolet gehalten habe. Für die Einstellung der Zahlung der Karenzentschädigung im Februar 2003 sei wohl vielmehr die Aufnahme der Tätigkeit als selbständige Handelsvertreterin ab Januar 2003 seitens der Klägerin ausschlaggebend gewesen.

Die Klägerin habe seit dem 1. Januar 2003 keine Konkurrenz betrieben. Als selbständige Handelsvertreterin vermittele sie Geschäfte zwischen Schuhherstellern und Schuheinzelhändlern. Während der Beklagte als Schuheinzelhändler den Endverbraucher umwerbe, sei die Klägerin als Handelsvertreterin verpflichtet, Schuheinzelhändler als ihre Kunden zu akquirieren. Konkurrenz setze voraus, dass sich beide Parteien auf einem Markt beteiligten, auf dem dieselben Güter oder Dienstleistungen aufträten. Dass beide mit dem gleichen Produkt handelten, sei unschädlich, da es auch darauf ankomme, ob dieselben Kunden bezüglich derselben Dienstleistungen umworben würden. Der Beklagte habe in der notariell beglaubigten Urkunde vom 29. Mai 2001 selbst ausgedrückt, dass die Klägerin sich von den Endverbrauchern, also seinen unmittelbaren Kunden, fernhalten solle. Seine Konkurrenten seien lediglich die Einzelhandelsgeschäfte. Selbst wenn die Klägerin die Möglichkeit habe, sogenannte Posten konkurrierenden Einzelhändlern günstiger anzubieten, werde dadurch kein mittelbarer Wettbewerb betrieben.

Die Klageforderung sei auch nicht nach tarifvertraglichen Vorschriften verfallen, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin entgegen § 5 TVG hiervon nicht erfasst werde. Als Ehefrau des Beklagten zähle sie nicht zum Personenkreis des MTVEinzelhandel, der nur Arbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG umfasse.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung. Der Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachte Karenzentschädigung folgt aus den §§ 74, 74b HGB i. V. m. dem Ergänzungsvertrag vom 5. Juni 2001. Durch den Vergleich vom 19. November 2002 wurde weder das Wettbewerbsverbot noch die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung aufgehoben.

1. Die Parteien haben in der Zusatzvereinbarung vom 5. Juni 2001 ein verbindliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Zweifel können an der Wirksamkeit der Vertragsstrafenregelung bestehen, die bei einem Dauerverstoß für jeden angefangenen Monat 50.000,00 DM betragen soll, was möglicherweise überhöht erscheint. Dies berührt aber nicht die Wirksamkeit der vereinbarten Regelungen über das Verbot, Wettbewerb zu betreiben und die Höhe der Entschädigung in Höhe der Hälfte der von der Klägerin zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen.

Auf dieses Wettbewerbsverbot hat der Beklagte nicht gem. § 75a HGB verzichtet. Hätte er dies getan, wäre er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Verzichtserklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung freigeworden. Der Beklagte hat jedoch im Kündigungsschreiben vom 22. Dezember 2001 nochmals gesondert darauf hingewiesen, dass es bei den Regelungen der Änderungsvereinbarung vom 5. Juni 2001, also der Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots, bleibe. Auch im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte immer wieder auf die Verletzung des im Übrigen von ihm für wirksam gehaltenen Wettbewerbsverbots durch die Klägerin hingewiesen.

2. Die Parteien haben das Wettbewerbsverbot nicht aufgehoben.

a) Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist jederzeit aufhebbar (BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 558/01 – AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64; 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – BAGE 102, 103). Eine Aufhebung ist auch möglich durch eine Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag oder in einem gerichtlichen Vergleich, ohne dass sie gesondert getroffen worden sein muss.

b) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive oder das deklaratorische positive oder negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllend betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder bestimmte Gruppen von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen bringen zu wollen. Ein deklaratorisches positives oder negatives Schuldanerkenntnis ist dann gegeben, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – BAGE 102, 103).

3. Das Landesarbeitsgericht hat den Vergleich vom 19. November 2002 mit dem Ergebnis ausgelegt, dass die Parteien weder das Wettbewerbsverbot noch die Karenzentschädigung in die Erledigungsklausel hätten einbeziehen wollen. Dies begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

a) Dabei ist davon auszugehen, dass die Auslegung der Ziff. 2 des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist, nämlich darauf hin, ob gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen worden ist, ob die Verfahrensvorschriften, eingehalten worden sind oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen wurden (st. Rechtsprechung, vgl. BAG 17. Oktober 2000 – 3 AZR 69/99 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 56 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 71 m.w.N.).

aa) Welcher Prüfungsmaßstab bei der Auslegung gerichtlicher Vergleichsklauseln anzulegen ist, wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts uneinheitlich beantwortet. Der Senat hat in den Entscheidungen vom 31. Juli 2002 (- 10 AZR 513/01 – BAGE 102, 103 und – 10 AZR 558/01 – AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64) die Auffassung vertreten, dass Prozessvergleiche stets und in allen Fällen vom Revisionsgericht unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden können. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob sie typische oder nichttypische Erklärungen enthielten. Auch der Fünfte Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. Mai 2004 eine uneingeschränkte Überprüfung eines Prozessvergleichs vorgenommen (- 5 AZR 434/03 – AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). In seiner Entscheidung vom 29. September 2004 hat er offen gelassen, ob generell an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei und eine von ihm für typisch gehaltene Vergleichsklausel unbeschränkt ausgelegt (- 5 AZR 99/04 – AP EntgeltFG § 3 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 133 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch der Zweite Senat geht grundsätzlich von einer vollen Überprüfbarkeit gerichtlicher Vergleichsklauseln aus (4. März 2004 – 2 AZR 305/03 – AP ZPO § 794 Nr. 49 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1). In seinen Entscheidungen vom 16. Januar 2003 und 22. März 2003 hat der Zweite Senat zwar grundsätzlich eine volle Überprüfbarkeit angenommen, die Frage jedoch letztlich offen gelassen, da nach beiden zugrunde zu legenden Prüfungsmaßstäben jeweils dasselbe Ergebnis erzielt werde (16. Januar 2003 – 2 AZR 316/01 – AP ArbGG 1979 § 57 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 133 Nr. 1; 22. Mai 2003 – 2 AZR 250/02 – AP ZPO § 767 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 1). In der Entscheidung vom 15. Juli 2004 hat der Zweite Senat hingegen eine Vergleichsklausel grundsätzlich als nur eingeschränkt überprüfbar betrachtet, jedoch ebenfalls die Beantwortung der Rechtsfrage offen gelassen, da auch eine unbeschränkte Überprüfung die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts getragen hätte (- 2 AZR 630/03 – BAGE 111, 240). Hingegen hat der Dritte Senat in seiner Entscheidung vom 25. Mai 2004 (- 3 AZR 123/03 – AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11) darauf abgestellt, ob eine Klausel eines gerichtlichen Vergleichs auf den Einzelfall zugeschnitten sei und damit nichttypisch sei und sodann nur einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Dies ist auch in einer Entscheidung des Achten Senats geschehen (5. September 2002 – 8 AZR 702/01 – AP BGB § 280 n.F. Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 109). Der Vierte Senat hat in einer Entscheidung vom 15. September 2004 Vergleiche grundsätzlich für nichttypische Verträge gehalten (- 4 AZR 9/04 – AP BGB § 157 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Daher sei der Inhalt gerichtlicher Vergleiche durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar.

bb) Der Senat hält nicht daran fest, dass Prozessvergleiche generell typische Erklärungen sind und demnach ihre Auslegung unabhängig von ihrem Charakter revisionsrechtlich voll überprüfbar ist. Ob eine Aufhebungsvereinbarung außergerichtlich oder gerichtlich geschlossen wird, ist für die Reichweite ihres materiellen Inhalts ohne Bedeutung. Die prozessbeendende Wirkung des gerichtlichen Vergleichs hat Auswirkungen lediglich auf das Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wurde. Diese Wirkung bleibt voll überprüfbar. Die materielle Reichweite der Erklärungen ist in beiden Fällen auf gleiche Weise zu ermitteln und muss revisionsrechtlich gleich behandelt werden. Spätestens seit der Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO, wonach Zustandekommen und Inhalt gerichtlicher Vergleiche durch Beschluss festgestellt werden können, nachdem die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet oder durch einen Schriftsatz einen Vorschlag des Gerichts angenommen haben, besteht kein Grund mehr, hinsichtlich der materiellen Wirkungen zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen zu unterscheiden.

cc) Ob eine Ausnahme für häufig verwendete Ausgleichsklauseln, z. B. „Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt.“ gelten sollte, kann dahinstehen, denn die Abgeltungsklausel des in der Sache – 3 Ca 4133/02 – vor dem Arbeitsgericht Dortmund geschlossenen Vergleichs ist jedenfalls keine typische Erledigungsklausel. Zum einen sind nicht alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt worden, sondern lediglich die finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung. Weiterhin sind in der Klausel die Ansprüche auf Zahlung der vom Beklagten für die Klägerin gezahlten Einkommenssteuer für das Jahr 2000 erwähnt sowie die Rechtsstreitigkeit – 3 Ca 4133/02 -, was überflüssig ist, da der Vergleich unter diesem Aktenzeichen geschlossen wurde.

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen, sondern eine nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB vertretbare Auslegung vorgenommen.

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass Ausgleichsklauseln im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind. Es hat den in der auszulegenden Erklärung verkörperten maßgeblichen Willen der Parteien festgestellt. Da sich ein übereinstimmender Wille nicht ermitteln ließ, hat es die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus Sicht des Erklärungsempfängers so ausgelegt, wie dieser sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Es hat ausgehend vom Wortlaut sämtliche, den Parteien erkennbare Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung seien können, berücksichtigt. Hierzu gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Abschluss des Vergleichs, der Zweck des Vergleichs und die beim Abschluss des Vergleichs vorliegende Interessenlage.

bb) Beanstandungsfrei hat es zunächst vom Wortlaut der Erklärung ausgehend für möglich gehalten, dass Karenzentschädigungsansprüche durch den Vergleich erledigt sein sollten. Wenn das Landesarbeitsgericht dennoch aus der einschränkenden Formulierung, wonach lediglich alle finanziellen gegenseitigen Ansprüche für erledigt erklärt wurden, geschlossen hat, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht insgesamt aufgehoben worden sei und daher kein Anlass dazu bestanden habe, auch die damit verbundene Karenzentschädigung ausschließen zu wollen, so begegnet dies keinen Bedenken. Es widerspricht nicht anerkannten Auslegungsregeln, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Parteien ein Wettbewerbsverbot unter Ausschluss der Karenzentschädigung aufrechterhalten wollten, zumal dies regelmäßig mit § 74 HGB unvereinbar wäre (so auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 4. Aufl. Rn. 497 f.).

cc) Weiterhin bestehen keine Bedenken daran, dass das Landesarbeitsgericht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, die in dem Verhalten der Parteien vor und nach Vergleichsabschluss liegen. Die Klägerin hatte zwar in dem Verfahren, in dem der Vergleich abgeschlossen wurde, zunächst angekündigt, möglicherweise auch noch Ansprüche auf Karenzentschädigung geltend machen zu müssen, hat dies jedoch unterlassen können, da der Beklagte die Karenzentschädigung gezahlt hatte. Die Höhe der Vergleichssumme von 5.368,56 Euro brutto sowie 104,01 Euro netto, die ausdrücklich zur Abgeltung der Klageforderung deklariert worden ist, zwingt nicht zu der Annahme, dass damit ebenfalls Karenzentschädigungsansprüche in Höhe von 2.101,08 Euro monatlich für 20 Monate ausgeglichen sein sollten.

dd) Auch das weitere Verhalten des Beklagten nach Vergleichsabschluss hat das Landesarbeitsgericht beanstandungsfrei gewürdigt. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Beklagten hat es berücksichtigt, jedoch nicht für durchschlagend gehalten. Auch dies begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Der Beklagte hatte für Dezember und Januar die Karenzentschädigung gezahlt. Wenn er bereits im Dezember 2002 erfahren hatte, dass der Vergleich rechtskräftig geworden war, hätte Anlass bestanden, darauf zu achten, dass künftig die Karenzentschädigung nicht mehr gezahlt werde, wenn dies so vereinbart gewesen wäre. Wenn der Beklagte die Nichtunterrichtung des Steuerberaters vor Ende Januar 2003 damit begründet, er sei wegen des Weihnachtsgeschäfts, eines Wasserschadens im Dezember und seines Urlaubs im Januar nicht früher dazu gekommen, so wird nicht deutlich, durch welche konkreten Umstände er daran gehindert gewesen wäre. Es fehlen jegliche Angaben zum zeitlichen Aufwand, diese angeblichen Hindernisse zu beheben. Das Landesarbeitsgericht hatte daher keinen Anlass, den insoweit unsubstantiierten Behauptungen nachzugehen. Der Beklagte beruft sich letztlich auf Nachlässigkeiten, die nicht zwingend auf einen entgegenstehenden Willen schließen lassen. Im Gegenteil hat das Landesarbeitsgericht berücksichtigt, dass diese Nachlässigkeit untypisch für das gespannte Verhältnis der Parteien gewesen wäre, das zu zahlreichen gerichtlichen und außergerichtlichen Konflikten Anlass gab. Das Landesarbeitsgericht hat beanstandungsfrei berücksichtigt, dass viel dafür spricht, dass der Beklagte die Karenzentschädigung erst dann nicht mehr zahlen wollte, als er davon erfahren hatte, welche Tätigkeit die Klägerin seit dem 1. Januar 2003 tatsächlich ausübte und er dies für verbotene Konkurrenz hielt.

4. Die Klägerin hat auch nicht gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Die Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung entfällt also auch nicht aus diesem Grunde.

Als selbständige Handelsvertreterin, die Geschäfte zwischen Schuhherstellern und Schuheinzelhändlern vermittelt, betrieb sie im Klagezeitraum eine völlig andere Tätigkeit als diejenige, die sie bei dem Beklagten als Angestellte im Schuheinzelhandelsverkauf mit Personalbefugnis verrichtet hatte. Damit war sie nicht für ein Unternehmen tätig, welches mit dem Betrieb des Beklagten in direktem oder indirektem Wettbewerb stand oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden war. Sie hat auch kein solches Unternehmen errichtet, erworben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar beteiligt. Der Klägerin war nicht verboten, überhaupt mit Schuhen zu tun zu haben, sondern lediglich bei anderen Schuheinzelhändlern zu arbeiten (vgl. BAG 21. Januar 1997 – 9 AZR 778/95 – BAGE 85, 60). Die Klägerin war nunmehr auf einer anderen Handelsstufe tätig, die mit dem Kundenkreis des Beklagten, nämlich den endverbrauchenden Schuhkäufern, nichts zu tun hatte. Selbst wenn die Klägerin die Möglichkeit gehabt haben sollte, Rabatte bei den Schuhherstellern zugunsten anderer Einzelhandelsgeschäfte zu vermitteln, hat das Landesarbeitsgericht darin zu Recht keine mittelbare Konkurrenz gesehen, da auch der Beklagte die Möglichkeit hat, solche Rabatte zu erhalten oder Sonderposten zu ermäßigten Preisen zu beziehen. Der von Bauer/Diller (Wettbewerbsverbote 4. Aufl. Rn. 123) vertretenen Auffassung, wonach der Begriff des Konkurrenzunternehmens stets großzügig zu bestimmen sei, ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Nicht nur die Interessen des Arbeitgebers am Schutz vor Konkurrenz können allein entscheidend sein, sondern auch die Interessen des Arbeitnehmers, seine Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 GG nur soweit einzuschränken, wie dies dem früheren Arbeitgeber nicht unmittelbar schadet. Dass ein Wettbewerbsverbot gern. § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB insoweit unverbindlich ist, als es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient, reicht in diesem Zusammenhang zum Schutz des Arbeitnehmers nicht aus. Die Karenzentschädigung belastet zwar den früheren Arbeitgeber hoch, sichert dem Arbeitnehmer aber auch nur die Hälfte des früheren Einkommens und damit des gewohnten Lebensstandards. Eine zweijährige Enthaltung von jedweden Tätigkeiten innerhalb einer bestimmten Branche auf jedweder Handelsstufe wird durch die Karenzentschädigung nicht angemessen ausgeglichen, zumal der dadurch eintretende Qualifikationsverlust in diesem Ausmaß nicht zu rechtfertigen wäre. Der Klägerin kann es nicht verwehrt werden, ihre Kenntnisse über Schuhe in anderen Vertriebsstufen zu verwerten, die nicht den Endverbraucher umwerben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Schlagwörter
Wettbewerbsverbot (9) Vergleich (3) Karenzentschädigung (8) Ausgleichsklausel (2)