Zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung

16 U 45/05 Urteil verkündet am 16. Dezember 2005 OLG Düsseldorf Kündigung des Handelsvertretervertrags, Pflichten des Handelsvertreters, Pflichten des Unternehmers, Wettbewerbsverbot und Konkurrenzverbot

Oberlandesgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2005 durch […] für Recht erkannt:

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Januar 2005 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I. Der Kläger war für die Beklagte seit dem 1. Februar 1999 als Handelsvertreter tätig und mit dem Vertrieb von so genannten Wirkwaren (Strickwaren, Sweatshirts, T-Shirts, etc.) für Männer beauftragt. Die Einzelheiten des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags ergeben sich aus der Anlage 1 zur Klageschrift. Der Vertrag war auf unbestimmte Zeit geschlossen und enthielt eine Vereinbarung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein wichtiger Grund zur (sofortigen) Vertragsbeendigung vorliegen sollte. Ferner sah er vor, dass der Kläger nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der Beklagten andere Unternehmen vertreten dürfe und jede Konkurrenztätigkeit zu unterlassen habe.

Anfang 2004 kam es zu einem Gespräch zwischen den Parteien darüber, ob der Kläger berechtigt sei, im Auftrag eines anderen Unternehmens, Herrenbekleidung der Marke [..] zu vertreiben. Inhalt und Ergebnis des Gesprächs sind streitig. Unstreitig hat der Kläger ab Ende Januar 2004 eine entsprechende Handelsvertretertätigkeit aufgenommen, was die Beklagte veranlasste, mit Schreiben vom 28. April 2004 (Anlage 3 zur Klageschrift) die fristlose Kündigung auszusprechen. Gegen diese Kündigung, deren Unwirksamkeit er geltend macht, wendet sich der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit.

Die Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Parteivortrags ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, worauf gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei gemäß § 89a HGB sei unwirksam gewesen, weil die gerügte Pflichtverletzung des Klägers nicht zuvor abgemahnt worden sei. Die Einzelheiten der Begründung ergeben sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und Rechtsausführungen zu den Anforderungen einer fristlosen Kündigung, insbesondere einer Abmahnung macht. Diese Anforderungen habe das Landgericht überspannt. Aufgrund der ausdrücklichen Untersagung der Konkurrenztätigkeit durch den Geschäftsführer der Beklagten in dem Gespräch am 15. Januar 2004 sei nach Aufnahme derselben durch den Kläger und Bekanntwerden auf Seiten der Beklagten eine Abmahnung nicht mehr erforderlich gewesen. Einer Interessenabwägung habe es nicht bedurft, eine solche Abwägung fiele, aber auch zugunsten der Beklagten aus.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil „aufzuheben“ und die Klage abzuweisen.

Der Kläger bittet um

Zurückweisung der Berufung

und verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Eine Abmahnung sei hier nicht entbehrlich gewesen. Dies gelte auch bei etwaigen Konkurrenztätigkeiten, um welche es sich vorliegend aber nicht einmal gehandelt habe, weil sich die beiden Segmente an vollkommen unterschiedliche Altersgruppen wendeten. Die vorzunehmende Gesamtwürdigung der Umstände führe dazu, dass eine fristlose Vertragsbeendigung ohne Abmahnung nicht zulässig gewesen sei. Bereits das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 89a HGB sei nicht zu bejahen. Der Kläger habe schon in erster Instanz vorgetragen, am 15. Januar 2004 in Düsseldorf den Geschäftsführer der Beklagten um Zustimmung im Hinblick auf die avisierte Tätigkeit für die Fa. […] gebeten zu haben, die ihm mündlich auch erteilt worden sei. Diesen Rechtfertigungsgrund habe die Beklagte zu entkräften. Die Schriftformabrede im Handelsvertretervertrag stehe der Wirksamkeit der Zustimmung nicht entgegen. Schließlich habe die Beklagte mit dem Ausspruch der Kündigung nicht so lange zuwarten dürfen. Ihr Kündigungsrecht habe sie damit verwirkt.

Der Senat hat Beweis erhoben über die wechselseitigen Behauptungen der Parteien zur Erteilung einer Zustimmung der Beklagten zur Fremdtätigkeit des Klägers (Beweisbeschluss vom 28. Oktober 2005 nebst Ergänzung = Bl. 220, 221 GA).
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Urkunden und Schriftstücke Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Recht macht sie geltend, dass die von ihr mit Schreiben vom 28. April 2004 ausgesprochene Kündigung das Handelsvertreterverhältnis mit dem Kläger mit sofortiger Wirkung beendet hat. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind gemäß § 89a HGB erfüllt. Einer Abmahnung des Verstoßes des Klägers gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot bedurfte es nicht, nachdem ihm bereits zuvor von der Beklagten untersagt worden war, die von ihm unstreitig angekündigte Konkurrenztätigkeit tatsächlich aufzunehmen. Dass die Beklagte ein solches Verbot ausgesprochen hat, hat die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme eindeutig ergeben.

Im Einzelnen:

A.

1. Nach § 89a Abs. 1 HGB kann ein Handelsvertretervertragsverhältnis von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

Wichtiger Grund für die fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertragsverhältnisses ist jeder tatsächliche oder rechtliche Umstand (Ereignis oder Verhalten), welcher bei Beachtung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Wesen und Zweck des Vertrags sowie der durch den Vertrag begründeten beiderseitigen Rechte und Pflichten dem kündigenden Vertragspartner die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dem ursprünglich im Vertrag vorgesehenen oder einem durch fristgerechte Kündigung nach § 89 HGB herbeizuführenden Vertragsende unzumutbar macht, weil es trotz der Beachtung des Gebots der Vertragstreue im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls Treu und Glauben sowie der Billigkeit widerspricht, den Kündigenden am Vertrag festzuhalten (vgl. BGH NJW-RR 99, 539; BGH ZIP 99, 277, 278; BGH BB 01, 645; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch, HGB, § 89a Rn. 6 m.w.N.; MünchKomm-v.Hoyningen-Huene, HGB, 2. Aufl., § 89a Rn. 12; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl., Rn. 1739 f.). Hierbei muss ein objektiver Umstand vorliegen, welcher aus der Sicht des Kündigenden im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Notwendigkeit einer sofortigen Vertragsbeendigung begründet. Dieser Umstand wird in der Regel in einem Verhalten des Gekündigten, insbesondere in einer groben Verletzung vertraglicher Pflichten liegen. Er muss objektiv geeignet sein, die Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung des Vertrags und damit ein Außerkraftsetzen des Grundsatzes der Vertragstreue sowie der Pflicht zur Einhaltung der für eine Vertragsbeendigung vereinbarten Formen und Fristen zu rechtfertigen, indem er bei objektiver Würdigung entweder das erforderliche gegenseitige vertragliche Vertrauensverhältnis zumindest aus der Sicht einer Vertragspartei oder trotz fortbestehenden Vertrauensverhältnisses die Grundlagen einer weiteren Zusammenarbeit nachhaltig beeinträchtigen oder entfallen lassen kann. Das ist bei einfachen Vertragsverletzungen regelmäßig nicht der Fall; ein gewisses Maß an Vertragsuntreue der Gegenpartei muss der davon betroffene Vertragspartner sanktionslos hinnehmen. Ob der geltend gemachte Grund im Einzelfall bei objektiver Würdigung eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, bedarf einer umfassenden Würdigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie sie nochmals bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu seiner frühestmöglichen vertragsmäßigen Beendigung anzustellen ist. Dem Verhalten des Kündigenden nach Kenntnis von dem vermeintlichen Kündigungsgrund und seiner Reaktion darauf lässt sich regelmäßig entnehmen, wie schwerwiegend er die Störung des Vertragsverhältnisses tatsächlich bewertet. Ergibt die mit einer Gesamtabwägung verbundene Prüfung, dass der geltend gemachte Anlass eine sofortige Vertragsauflösung objektiv nicht rechtfertigen kann, fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für den wichtigen Grund; die eingetretene Störung kann lediglich zum Anlass einer ordentlichen Kündigung genommen werden (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch a.a.O., Rn. 7, 10 m.w.N.).

Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche, das Vorliegen eines wichtigen Grundes ausfüllenden Umstände liegt bei dem kündigenden Teil bzw. bei demjenigen, der sich auf einen wichtigen Grund und damit auf die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung beruft (BGH NJW-RR 99, 539, 540; OLG Köln BB 01, 2241; Ebenrothl Boujong/Joost-Löwisch a.a.O., Rn. 65 m.w.N.).
Nimmt eine Vertragspartei einen vom Vertragspartner zu beeinflussenden Umstand zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung, ist diese im Hinblick darauf, dass sie unausweichlich das letzte Mittel – die ultima ratio – sein muss, um einem pflichtwidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils wirksam zu begegnen, grundsätzlich erst dann gerechtfertigt, wenn dem zu Kündigenden mittels einer Abmahnung die möglichen Konsequenzen eines erneuten Verstoßes aufgezeigt worden sind und ihm Gelegenheit zur Änderung des beanstandeten Umstandes gegeben worden ist (BGH NJW-RR 99, 539, 540; BGH BB 01, 645, 646; BGH NJW-RR 03, 981; Senatsurteil vom 17. Dezember 1999, OLGR 00, 354, 355). Dem zu Kündigenden muss durch die Abmahnung unzweideutig, unmissverständlich und ernsthaft vor Augen geführt werden, dass die genau zu bezeichnende Störung den Bestand des Vertragsverhältnisses gefährdet und abgestellt werden muss, weil er anderenfalls mit einer fristlosen Kündigung rechnen muss (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch a.a.O., Rn. 12 m.w.N.; das Abmahnungserfordernis ist nunmehr in § 314 Abs. 2 BGB geregelt, der für die fristlose Kündigung nach § 89a HGB entsprechende Anwendung findet: MünchKomm-v.Hoyningen-Huene a.a.O., Rn. 7a und 29). Entbehrlich ist eine Abmahnung nur dann, wenn die Kündigung auf einen Umstand gestützt werden soll, auf welchen der zu Kündigende keinen Einfluss nehmen oder den er in angemessener Zeit nicht abstellen kann, oder wenn der vorliegende Kündigungsgrund ausnahmsweise bereits unabänderlich die fristlose Kündigung rechtfertigt, weil dem Kündigenden selbst unter veränderten Umständen nach erfolgreicher Abmahnung eine Fortsetzung des Vertrags nicht mehr möglich oder zuzumuten ist, insbesondere bei einer schwerwiegenden und irreparablen Störung des Vertrauensverhältnisses wie – regelmäßig – bei strafbaren Handlungen; hieran sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (BGH BB 01, 645, 646; Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch a.a.O., Rn 16 m.w.N.; MünchKomm-v.Hoyningen-Huene a.a.O., Rn. 29; Küstner/Thume a.a.O., Rn. 1750).

2. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 89a HGB kann insbesondere die unerlaubte Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters sein. Dass der Kläger im vorliegenden Fall einer solchen unerlaubten Tätigkeit nachgegangen ist, kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Er hat in der Zeit ab Ende Januar 2004 Waren derselben Art (Wirk- und Strickwaren oder Knitwear) eines anderen Herstellers als Handelsvertreter vertrieben. Der Einwand des Klägers, die Ware der Marke […] richte sich ausschließlich an eine jüngere Kundschaft als diejenige, die an entsprechenden Waren von […] interessiert sei, ist rechtlich unerheblich. Damit kann die Konkurrenzsituation nicht verneint werden.

Voraussetzung für einen Verstoß gegen ein aus der Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters nach § 86 HGB folgendes, im vorliegenden Fall aber auch den vertraglichen Vereinbarungen in § 10 Abs. 3 und 4 zu entnehmendes Verbot einer Wettbewerbstätigkeit ist das Bestehen einer Wettbewerbs- oder Konkurrenzlage. Eine solche besteht in sachlicher Hinsicht zwischen den vom Handelsvertreter nach dem Vertrag zu vertreibenden Produkten des Unternehmers und denjenigen seiner Konkurrenten, wenn deren Aufgaben und Zwecke aus Sicht der als Kunden in Frage kommenden Abnehmer gleichermaßen erfüllt werden können und damit austauschbar sind. Identität, Gleichartigkeit oder auch nur Vergleichbarkeit der Waren nach Preis oder Qualität sowie ein Überschneiden der Produktpalette sind nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob aus Sicht der Kunden eine Konkurrenz besteht, weil diese bereit sein könnten, anstelle der Waren des Unternehmers auf diejenigen des Konkurrenten zuzugreifen. Damit scheidet eine Konkurrenzlage in sachlicher Hinsicht nur hinsichtlich solcher Waren aus, bei denen die Gefahr einer Verdrängung des Geschäftsherrn des Handelsvertreters vom Markt nicht besteht, weil sie von der Funktion her ganz unterschiedlichen Anforderungen genügen müssen oder sich an verschiedenartige, nicht austauschbare Kundenkreise wenden. Dabei genügt eine Konkurrenzlage hinsichtlich einzelner Sortimentsteile, weil andernfalls die Gefahr besteht, dass der Kunde seinen gesamten Bedarf bei einem Drittunternehmer deckt, von dem er bereits die vom Auftraggeber des Handelsvertreters nicht angebotenen Produkte bezieht (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch a.a.O., § 86, Rn. 19 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall kann die Konkurrenzsituation nicht mit nach Altersgruppen zu differenzierenden Kundenkreisen verneint werden. Unstreitig liegen die beiden Gruppen dicht beieinander, so dass sich im Grenzbereich eine strikte Trennung zwischen beiden ohnehin nicht vornehmen lässt. Abgesehen davon geht es hier um Bekleidungsartikel, bei welchen der letztendlich angesprochene Kundenkreis in erheblichem Maß von dem jeweiligen Geschmack und Modeinteresse des einzelnen Kunden abhängt. Eine klare Trennung nach Altersgruppen ist daher nicht möglich, zumindest, nicht zwischen den beiden vom Kläger geltend gemachten Gruppen von 18-25 Jahren einerseits und 30-45 Jahren andererseits.

Sonstige Gründe die einer Wettbewerbssituation zwischen den hier im Streit stehenden Produkten entgegen stehen könnten, werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

3. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass durch die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit durch den Handelsvertreter ein so schwerwiegender Verstoß gegen die Vertragspflichten und damit einhergehend auch ein Vertrauensbruch gegenüber dem Unternehmer vorliegt, dass von einer irreparablen Störung des Vertrags- und Vertrauensverhältnisses zwischen den Beteiligten ausgegangen werden muss, die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bis zum Ablauf der ansonsten einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht mehr bejaht werden kann und damit eine Abmahnung des vertragswidrigen Verhaltens nicht mehr erforderlich ist (vgl. BGH BB 01, 645; BGH ZIP 99, 1307).

Dennoch ist dies keinesfalls zwingend, vielmehr bedarf es in solchen Fällen wie sonst auch einer umfassenden Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände und einer Abwägung der beiderseitigen Interessenlage (vgl. BGH NJW-RR 03, 981).

Diese Interessenabwägung ergibt im vorliegenden Fall, dass es einer Abmahnung der Pflichtverletzung des Klägers durch die Beklagte nicht mehr bedurfte, weil der Kläger die Beklagte unstreitig vor Aufnahme seiner Tätigkeit auf die damals noch beabsichtigte Konkurrenztätigkeit angesprochen hat und die Beklagte ihm diese – wie die Beweisaufnahme des Senats ergeben hat – untersagt hat. In diesem Fall würden die Anforderungen an das Recht zur fristlosen Kündigung überspannt werden, wenn es dem Unternehmer zugemutet würde, nach Beginn und Bekanntwerden der Pflichtverletzung zunächst eine Abmahnung auszusprechen. Der Kläger hat sich der Untersagung der Beklagten vorsätzlich widersetzt und hiermit gleich in zweifacher Hinsicht seine Vertragspflichten verletzt. Denn nicht nur gegen das Wettbewerbsverbot, sondern auch gegen die in einem persönlichen Gespräch zum Ausdruck gebrachte Untersagung hat er verstoßen. Bei einem solchen Sachverhalt muss grundsätzlich und auch unter den hier gegebenen Umständen von einer endgültigen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragspartnern ausgegangen werden, dem auch mit einer Abmahnung nicht mehr wirksam begegnet werden kann, so dass es dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann, das Vertragsverhältnis zumindest bis zum Ablauf der bei einer ordentlichen Kündigung geltenden Kündigungsfrist von hier sechs Monaten fortzusetzen. Die zugunsten des Klägers sprechenden Gesichtspunkte – insbesondere der reibungslose und erfolgreiche Verlauf des Vertragsverhältnisses bis zur Pflichtverletzung, die Vertragsdauer und die Fortsetzung der Zusammenarbeit der Parteien im Hinblick auf den Betrieb des […]-Shops in Trier in Kenntnis des Kündigungsgrundes – vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

4. Dass die Beklagte durch ihren Geschäftsführer gegenüber dem Kläger noch vor Aufnahme der Konkurrenztätigkeit in einem Gespräch am 15. Januar 2004 erklärt hat, sie sei mit der Verwirklichung der Absicht des Klägers nicht einverstanden, hat die Beweisaufnahme des Senats ergeben.

a. Die Zeugen B. und B. haben dies eindeutig bestätigt. Beide haben bekundet, dass der Kläger im Beisein mehrerer Personen einschließlich des Geschäftsführers der Beklagten erklärt habe, eine weitere Kollektion aufnehmen zu wollen, woraufhin der Geschäftsführer der Beklagten gesagt habe, dass er das nicht wolle. Die Vernehmung der Eheleute S., die bei dem Zusammentreffen anlässlich einer Kollektionsvorstellung und -übergabe ebenfalls anwesend waren, hat nichts Abweichendes ergeben. Beide Zeugen haben erklärt, von einem Gespräch über die Übernahme einer weiteren Vertretung durch den Kläger nichts mitbekommen zu haben. Die Frage, ob die Zeugin S. gegenüber dem Stiefvater des Klägers D. P. im März 2004 erklärt habe, sie wisse von ihrem Ehemann, dass der Kläger mit dem Geschäftsführer der Beklagten über die beabsichtigte Aufnahme der Vertretertätigkeit verhandelt habe, hat die Zeugin klar verneint.

b. Dem eindeutigen Beweisergebnis steht die Aussage des Zeugen G. nicht entgegen. Der Zeuge hat den Sachvortrag des Klägers in mehrfacher Hinsicht nicht bestätigt. Im Übrigen ist seine Aussage auch nicht glaubhaft.

Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung bekundet, es sei ein Zwiegespräch zwischen den beiden Vertragsparteien geführt worden, als es um die Frage der Aufnahme der Vertretung von […]-Produkten ging. Das hat nicht einmal der Kläger behauptet, der nämlich in diesem Falle nicht die Zeugen B. und M. S. seinerseits als Zeugen zu dem Gespräch hätte benennen können. Von einem anschließenden „zweiten“ Gespräch, bei welchem keine weiteren Personen unmittelbar zugegen waren, war im Sachvortrag des Klägers vor der Vernehmung der Zeugen B. und B. durch den Senat keine Rede. Der Zeuge G. will dann auch nur mitbekommen haben, dass der Geschäftsführer der Beklagten grundsätzlich einverstanden gewesen sei, jedoch die Kollektion habe sehen wollen, um zu überprüfen, dass es keine Überschneidungen mit der eigenen Kollektion gebe.

Auch dies ist vom Kläger nicht vorgetragen worden, der dann nämlich auch hätte belegen müssen, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise dem Geschäftsführer der Beklagten diese Überprüfung ermöglicht worden ist.

Über diese sachlichen Ungereimtheiten hinaus hat der Zeuge G. auch nicht überzeugend darlegen können, aus welchen Gründen er sich nur als „Lauscher“ bestätigt haben will, obwohl er doch selbst ein reges Interesse an einer Klärung der Situation mit der Beklagten gehabt haben will. Der Zeuge G. hatte – ebenso wie der Kläger – im unmittelbaren Zeitraum vor der Vertragskündigung einen Umsatzrückgang zu verzeichnen, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies auf einer Vertragsverletzung des jeweiligen Handelsvertreters beruhte oder ihm in sonstiger Weise persönlich vorgeworfen werden konnte. Jedenfalls hat der Kläger selbst vorgetragen, dass G. den gleichen Umsatzrückgang gehabt habe wie er (S. 12 des Schriftsatzes vom 9. November 2004); dies hat die Beklagte bestätigt (S. 6 des Schriftsatzes vom 7. Dezember 2004). Der Zeuge G. hat dann bei seiner Vernehmung bekundet, er sei auch auf die Übernahme einer […]-Vertretung angesprochen worden und habe hierüber bereits mit dem Kläger gesprochen gehabt, als dieser am 15. Januar 2004 mit dem Geschäftsführer der Beklagten allein gesprochen habe. Diese Aussage ist unsinnig und lebensfremd. Der Kläger wusste von der Überlegung des Zeugen, die weitere Vertretung übernehmen zu können.

Hätte er den Geschäftsführer der Beklagten tatsächlich noch einmal angesprochen, nachdem dieser – im Beisein von Zeugen – bereits erklärt hatte, er stimme der Vertretungsübernahme nicht zu, hätte er den Zeugen G. hiervon informiert und ihn unmittelbar hinzugezogen, um gemeinsam die im Raum stehende Frage zu klären. Auch der Zeuge G. hätte seinerseits die Gelegenheit genutzt, die Zustimmung der Beklagten einzuholen, und zwar ganz unabhängig davon, ob er am 15. Januar 2004 bereits dazu entschlossen war, die Vertretung von [..]-Produkten zu übernehmen, denn ohne die Zustimmung der Beklagten brauchte er sich hierüber ohnehin keine Gedanken zu machen, wenn er nicht gegen seinen eigenen Handelsvertretervertrag verstoßen wollte. Die abweichenden Bekundungen des Zeugen sind demgegenüber nicht überzeugend. Schlüssige Gründe für sein merkwürdiges Verhalten, einerseits von einer Teilnahme an dem Gespräch abzusehen und andererseits dieses aber doch mitzuhören, ohne die Gelegenheit eines eigenen Gesprächs mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu nutzen, vermochte er trotz der seitens des Senats konkret aufgezeigten Bedenken nicht vorzubringen.

5. Sonstige Gründe, die der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 28. April 2004 entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums seit Bekanntwerden seiner Konkurrenztätigkeit gekündigt, verkennt er seine Darlegungs- und Beweislast. Zwar rügt er im Ansatz zu Recht, dass die Beklagte zu Zeitpunkt und Art und Weise ihrer genauen Kenntniserlangung von der hier streitgegenständlichen verbotenen Tätigkeit kaum nachvollziehbare und überprüfbare Einzelheiten vorträgt. Sie macht jedoch geltend, erst Ende April 2004 von der tatsächlichen Aufnahme, der Konkurrenztätigkeit erfahren zu haben (S. 4 der Klageerwiderung). Dies genügt grundsätzlich, um dem gekündigten Handelsvertreter die Möglichkeit zu geben, unter Beweisantritt vorzutragen, dass die tatsächliche Kenntniserlangung bereits zu einem früheren Zeitpünkt erfolgt ist. Insoweit ist der gekündigte Teil, vorliegend also der Kläger, darlegungs- und beweisbelastet (Ebenroth/Boujong/Joost-Löwisch a.a.O., § 89a Rn. 65 m.w.N.).

Mangels eines konkreten Anknüpfungspunktes für eine bestimmte Kenntniserlangung der Beklagten zu einem früheren Zeitpunkt als Ende April 2004 lassen sich hinreichend sichere Feststellungen insoweit nicht treffen. Die verbleibenden Unsicherheiten gehen dabei zu Lasten des Klägers. Er behauptet lediglich, dass der Geschäftsführer der Beklagten Mitte März 2004 „vermutet“ habe, seine Umsatzrückgänge seien auf eine Konkurrenztätigkeit des Klägers zurückzuführen (S. 7 des Schriftsatzes vom 9. November 2004). Abgesehen davon, dass eine bloße Vermutung noch nicht die Frist zur Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts in Gang setzt, weil dem kündigenden Teil zunächst die Möglichkeit zu weiteren Nachforschungen und zu einer ausreichenden rechtlichen Prüfung des Sachverhalts zustehen muss (Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 89a Rn. 30 m.w.N.), verweist der Kläger bei seinem Vortrag im Wesentlichen nur darauf, dass die Vermutung unzutreffend gewesen sei, weil sein „Kollege“ G. ebenfalls Umsatzrückgänge zu verzeichnen hatte. Die Argumentation des Klägers ist in mehrfacher Hinsicht unschlüssig. Zum einen weiß der Senat seit der Vernehmung des Zeugen G., dass auch dieser sich um die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit bemüht hat und ihr im Zweifel auch nachgegangen ist, weil er – wie er bekundet hat – die Zustimmung der Beklagten tatsächlich erhalten haben will. Und zum anderen geht es nicht entscheidend darum, ob die Konkurrenztätigkeit tatsächlich ursächlich geworden ist für den Umsatzrückgang, sondern darum, welche Anhaltspunkte für die Beklagte bestanden, um auf eine Konkurrenztätigkeit des Klägers schließen zu können. Nach dem eigenem Vortrag des Klägers sollen die aufgekommenen Bedenken der Beklagten jedoch ausdrücklich zerstreut worden sein. Dass dabei seine Konkurrenztätigkeit gegenüber der Beklagten eingeräumt worden ist, behauptet auch der Kläger nicht. In diesem Fall wäre auch zu erwarten gewesen, dass er bereits im Widerspruchsschreiben seines Bevollmächtigten vom 7. Mai 2004 (Anlage 4 zur Klageschrift) hierauf hingewiesen hätte, was jedoch nicht der Fall ist. Gleiches gilt für das Gespräch am 24. März 2004, hinsichtlich dessen der Kläger behauptet, es sei über seine Tätigkeit „für die Fa. [..]“ gesprochen worden (S. 5 der Klageschrift). Dass hierbei eine Tätigkeit des Klägers für Konkurrenzprodukte zur Sprache kam, wird von ihm nicht geltend gemacht. [..] vertrieb jedoch unstreitig auch [..]-Hosen, wofür dem Kläger bereits bei Abschluss des Handelsvertretervertrags eine Erlaubnis erteilt worden war (§ 10 des Vertrags).

6. Erfüllt die Kündigung der Beklagten somit die Anforderungen des § 89b HGB, kommt es auf weitere Rechtsfrage, soweit diese von den Parteien aufgrund ihres Sachvortrags aufgeworfen worden sind, nicht mehr an. Insbesondere kann dahinstehen, ob der Kläger nicht ohnehin eine schriftliche Zustimmungserklärung der Beklagten benötigte, um eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen zu dürfen (§ 10 Abs. 3 des Handelsvertretervertrages), woran es unstreitig fehlt. Und schließlich ist nicht mehr entscheidungserheblich, welche Auswirkungen die – hier erfolgte – vertragliche Festlegung eines wichtigen Grundes gehabt hätte, wenn entgegen der Vereinbarung die Interessenabwägung zu Lasten des kündigenden Teils ausfällt.

7. Die nicht nachgelassenen Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 25. November 2005 geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass, zumal der Kläger teilweise von Zeugenaussagen ausgeht, die nicht gemacht worden sind.

B. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses vom 25. Mai 2005 endgültig auf bis 20.000,– Euro festgesetzt. In dieser Höhe ist der Kläger beschwert. Die Streitwerterhöhung beruht darauf, dass im Rahmen einer Feststellungsklage hinsichtlich der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertragsverhältnisses auch der hier vom Kläger außergerichtlich angemeldete – Ausgleichsanspruch nach § 89b zu berücksichtigen ist (OLG Köln BB 01, 2241). Da der Kläger diesen Anspruch jedoch nicht schlüssig – auch nicht außergerichtlich gegenüber der Beklagten – vorgetragen hat, kommt eine Erhöhung des Streitwerts um mehr als 5.000,– Euro nicht in Betracht. Dass er ein weitergehendes Feststellungsinteresse haben könnte, ist sicher auszuschließen.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Schlagwörter
wichtiger Grund (12) Wettbewerb (2) Vertragspflichten (1) Interessenwahrnehmungspflicht (2) außerordentliche Kündigung (11)